„Für eine gerechte Hinterbliebenenrente“

Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 2017 hatte Inga Krauss nicht nur mit Trauer und Verlust zu kämpfen, sondern auch mit der Bürokratie. Rentenkontenklärung, Beantragung von Witwen- und Halbwaisenrente oder Erziehungsrente, eine jährliche Überprüfung der Einkommensverhältnisse, Steuererklärungspflicht – das alles stürzte auf die junge Witwe und nun alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Kindern ein. Eine harte Zeit. Inzwischen hat sich für Inga Krauss einiges geklärt, doch was bleibt, ist ein großes Gefühl der Ungerechtigkeit. Zusammen mit einer anderen betroffenen Mutter hat Krauss deswegen die Initiative mit gleichnamiger Facebook-Gruppe „Gerechte Hinterbliebenenrente“ gegründet. Dort klären die beiden über die Tücken und Mängel der Rentenregelungen speziell für junge Verwitwete auf und fordern eine Umgestaltung der Hinterblieben- und Halbwaisenrente. Betroffen sind übrigens mehrheitlich Frauen, da es öfter die Männer sind, die jung sterben.

Starke Kürzungen
Die Hinterbliebenenrente beträgt 55 Prozent der Rentenansprüche des Verstorbenen, plus einem Abschlag von 10,8%, wenn der Verstorbene das 62. Lebensjahr noch nicht erreicht hat. Ein großer Kritikpunkt der beiden Witwen ist die Regelung, dass die Hinterbliebenenrente gekürzt wird, wenn die Witwe oder der Witwer über eine bestimmte Summe ein eigenes Einkommen erwirtschaftet. Dabei sind die Freibeträge sehr knapp bemessen. Der Freibetrag einer verwitweten Alleinerziehenden mit zwei Kindern liegt derzeit bei 1.285,54€ sogenanntem fiktivem Netto (Rentenjahr 2020/21). Verdient die junge Witwe nur 100€ mehr, also 1.385,54€, wird die Rente um 40% dieses „Mehrverdienstes“ gekürzt. Das bedeutet, bei 100€ mehr an fiktivem Netto, werden 40€ weniger Rente ausgezahlt. Dabei werden so gut wie alle Einkommensarten angerechnet, selbst Zinsen und Dividenden bei Rentenversicherungen (außer Riester), der beliebte 450€ Mini-Job, die eigene Altersrente, die Photovoltaikanlage auf dem Dach usw. Das Einkommen wird dabei jährlich abgefragt und gegengerechnet, ein immenser Aufwand für alle Beteiligten.

Altersarmut vorprogrammiert
„Es bleibt extrem wenig übrig zum Leben“, kritisiert Inga Krauss. „Die weitreichenden Kürzungen sind der Grund, warum verwitwete Alleinerziehende oft nicht mehr arbeiten gehen, obwohl es manchmal sogar möglich wäre, vor allem dann, wenn die Kinder schon größer sind. Die Kürzungen unter dem Niveau jeglicher bekannter Armutsgrenzen und weit unter dem bei der Einführung der Grenze vergleichbar hohen Selbstbehalt einer unterhaltspflichtigen Person lösen ein großes Ungerechtigkeitsgefühl aus.“ Krauss erklärt das so: „Einerseits handelt es sich bei der Rente um eine teilweise gemeinsam erwirtschaftete Versicherungsleistung, deren Höhe durch eigene Mehr-Arbeit schwindet. Hier wird Leistung nicht belohnt, sondern bestraft. Andererseits bleiben Verwitweten durch die Kürzungen nur noch 60% des Entgelts, was vergleichbaren Nicht-Verwitweten durch exakt dieselbe Mehrarbeit bleiben würde.“ Die Hinterbliebenenrente sorgt bei jung Verwitweten durch die Anrechnung alle Einkommensarten langfristig für einen niedrigen Lebensstandard, was wiederum zwangsläufig die für Mütter sowieso schon bedrohliche Altersarmut zufolge hat. Durch niedrige Einkommen wird über viele Jahre zu wenig in die eigene Rentenkasse eingezahlt, die private Altersvorsorge wird – anders als bei Grundrentnern – nicht durch zusätzlich gewährte Freibeträge gefördert, sondern regelrecht unterbunden“, kritisiert Krauss. Bei den Regelungen zur Hinterbliebenenrente gibt es außerdem zahlreiche „Fallen“, berichtet Krauss. Auch die Berater der Deutschen Rentenversicherung können oft nicht helfen, da sie zu selten mit jungen Verwitweten zu tun haben und die Regelungen ebenfalls nicht parat haben. Inga Krauss moniert: „Es ist sehr schwierig im Fall des Falles akkurate Informationen zu bekommen.“ Auch Beratungsstellen für Alleinerziehende können meist nicht weiterhelfen, da ihnen das nötige Fachwissen zum Thema Rente fehlt.

Halbwaisenrente
Auch den minderjährigen Kindern des Verstorbenen steht eine Rente zu, die sogenannte Halbwaisenrente. Doch in vielen Fällen liegt diese unter dem Mindestunterhalt. Ergeben Halbwaisenrente und Kindergeld zusammen immer noch weniger als den Mindestunterhalt, so ist eine Aufstockung mit Unterhaltsvorschuss möglich. Allerdings gibt es im Vergleich zu einem Unterhalt von einem lebenden Elternteil keine Chance mehr jemals Unterhalt über der Höhe des Unterhaltsvorschusses zu bekommen. Inga Krauss und ihre Mitstreiterinnen verzweifeln manchmal an den vielen Fallstricken rund um die Hinterbliebenen- und Halbwaisenrente: „Eigentlich war die politische Absicht bei den Regelungen zur Witwenrente, dass die Witwen die Möglichkeit haben, auf eigenen Füßen zu stehen.“ Doch genau das verhindern unter anderem die niedrigen Freibeträge. „Das Problem ist: von den Witwen wehrt sich kaum jemand,“ berichtet Krauss. „Die haben da einfach nicht mehr die Kraft. Oft ist ja dem Tod des Partners eine jahrelange Krankheit vorausgegangen. Die Hinterbliebenen sind dann sehr erschöpft.“ Obwohl die negativen Auswirkungen der Regelungen zur Hinterbliebenenrente in der Politik bekannt sind, ändert sich nichts. Inga Krauss macht das wütend: „Die Gesetzgebung kennt nur die über 70jährige Witwe, die in ihrem abbezahlten Haus wohnt und sich mit der Witwenrente ein schönes Leben macht. Aber verwitwete Alleinerziehende gibt es in der Gesetzgebung nicht. Keine Partei hat den Mumm das Thema anzusprechen. Die Kombination der zwei Tabuthemen „Tod“ und „Rente“ ist denen zu schwierig“. (kö)

Text aus „Informationen für Einelternfamilien 1/2021“ – VAMV Landesverband Bayern e.V.