Die Familienpolitikerinnen debattierten mit den Alleinerziehenden-Organisationen Knackpunkte des Gesetzentwurfs – darunter die unzureichende Abstimmung mit anderen Rechtsbereichen oder die fehlende Berücksichtigung von Umgangsmehrbedarfen. Die Veranstalterinnen legten außerdem noch einmal in punkto Erwerbsanreize und Rahmenbedingungen für Alleinerziehende den Finger in die Wunde.
Miriam Hoheisel, Geschäftsführerin des VAMV-Bundesverbands, urteilte über die bisherigen Regelungen im Gesetzentwurf mit Blick auf Kindesunterhalt, der parallel den Zusatzbetrag und das Wohngeld reduziert: „Die Kindergrundsicherung darf die Schnittstellenprobleme nicht wieder verschärfen und hinter bereits umgesetzte Reformen wie die des Kinderzuschlags 2019 zurückfallen.
Das wäre vor allem für Ein-Eltern-Familien fatal.“ Kritik gab es auch von Anja Klamann, Vorstandsmitglied bei SHIA, an der fehlenden Berücksichtigung von Umgangsmehrbedarfen: „Der Kinderzusatzbetrag inklusive der Wohnkosten für das Kind soll zwischen den Elternteilen aufgeteilt werden. Ein-Eltern-Haushalte erhalten so nur noch Leistungen für das Kind für die Tage, an denen es sich in ihrem Haushalt aufhält.
So entsteht eine Unterfinanzierung, das Risiko von Kinderarmut wird damit erhöht statt bekämpft“. Heidi Thiemann, geschäftsführende Vorständin der Stiftung Alltagsheld:innen, übte Kritik an der Koppelung von Unterhaltsvorschuss an Einkommen bereits ab dem 7. Lebensjahr des Kindes: „Für Alleinerziehende ist das ein eklatanter Schritt zurück, und das trotz hoher Kinderarmut.
Es braucht verlässliche Kinderbetreuung und familienfreundliche Arbeitszeiten, keine Erwerbsanreize für Alleinerziehende. Selbst der Bundesrat fordert die Rücknahme dieser verschärften Anspruchsvoraussetzungen.“ KRITIK DER ALLEINERZIEHENDEN -ORGANISATIONEN FINDET GEHÖR Die Bundestagsabgeordneten bezogen zu den Kritikpunkten Position.
Die familienpolitische Berichterstatterin der SPD-Fraktion, Sarah Lahrkamp, verlieh der Notwendigkeit einer gerechteren Verteilung Nachdruck: „Es ist an der Zeit, dass Familien, insbesondere Alleinerziehende, die tagtäglich hart arbeiten und dennoch jeden Euro umdrehen müssen, die Unterstützung erhalten, die ihren Kindern zusteht.
Deswegen setzen wir uns zurzeit im parlamentarischen Verfahren intensiv dafür ein, dass die Verteilungsfrage in unserer Gesellschaft zugunsten einer stärkeren und gerechteren Zukunft unserer Kinder gelöst wird.“
KRITIK AN ERWERBSANREIZEN VON ALLEN ABGEORDNETEN Die in der Kindergrundsicherung vorgesehenen Erwerbsanreize für Alleinerziehende ernteten unisono von allen Abgeordneten Kritik. Nina Stahr, Mitglied im Familienausschuss und bildungspolitische Sprecherin von Bündnis 90/DIE GRÜNEN, betonte mit Blick auf Alleinerziehende: „Es geht an der Lebenswirklichkeit vorbei, ihnen Erwerbsanreize zu setzen.
Und auch die temporären Bedarfsgemeinschaften nehmen wir genau unter die Lupe. Erfreulich ist, dass wir den Kindergeldübertrag abschaffen, den Kindergarantiebetrag automatisch an die Preisentwicklung anpassen und ein Teil der Alleinerziehenden mit der Kindergrundsicherung mehr vom Unterhalt behält.“ Die Oppositionspolitikerinnen beanstandeten die Kindergrundsicherung in der jetzigen Form.
So bemängelte Heidi Reichinnek (Die Linke), dass ausgerechnet Alleinerziehende „wegen eines angeblich nötigen Erwerbsanreizes noch weiter gegängelt werden. Dass der Finanzminister dabei mit schlicht falschen Zahlen zur Erwerbsquote hantiert“, sich bis heute dafür aber nicht entschuldigt habe, sei ein Skandal. „Eine echte Kindergrundsicherung bedeutet auch spürbare Leistungserhöhungen, alles andere ist Augenwischerei“, stellte Reichinnek klar.
Laut Einschätzung von Unionspolitikerin Silvia Breher bringe die derzeitige Kindergrundsicherung „insbesondere für Alleinerziehende neue und zusätzliche Nachteile mit sich.“ Zudem werde, statt Bürokratie abzubauen, neue kostenträchtige Bürokratie geschaffen. „Was wir brauchen, sind einfache, automatisierte und digitale Verfahren. Was wir vor allem auch für Alleinerziehende brauchen, sind zielgenaue Unterstützungsleistungen und gute Rahmenbedingungen.
Nur durch einen aufeinander abgestimmten Maßnahmenmix geben wir den Kindern gute Startchancen für ihr Leben.“ Die Held:innen-Debatte ist ein Online Diskussionsformat der Stiftung Alltagsheld:innen. Seit 2022 lädt die Stiftung zu verschiedenen Dachthemen Gäste aus Verbänden, Organisationen, Politik oder Wissenschaft zum Austausch ein. Nähere Informationen dazu sind hier zu finden.